Als ich im Dezember vergangenen Jahres aus dem Matatu auf die staubige Straße Timaus steige, erkenne ich das Dorf sofort so wieder, wie ich es von meinem letzten Besuch vor über sechs Jahren in Erinnerung hatte. Auf den zweiten Blick jedoch bemerke ich die großen Veränderungen, die seitdem stattgefunden haben. Und dieser zweite Blick begleitet mich während meines gesamten Aufenthalts von fünf Tagen. Mein Name ist Elisabeth Bär, ich bin 24 Jahre alt und im Rahmen meines Politikstudiums absolvierte ich im Herbst diesen Jahres ein Praktikum an der deutschen Botschaft Nairobi. Bei meinem letzten Besuch in Kenia im Frühjahr 2008 war pro-A-kids e.V. gerade mal ein halbes Jahr alt und konkrete Maßnahmen zur Unterstützung des Kindergartens Kongoni steckten noch in den Kinderschuhen. Während meines dreimonatigen Aufenthaltes im Land nutzte ich natürlich die Gelegenheit, nach Timau zurück zu kehren und mir von den neuesten Entwicklungen ein Bild zu machen. Projekt Mädchenhütte Zunächst treffe ich mich mit Patricia Wamuyu, Jane Samson und der Mädchengruppe, die gerade am Bau einer Toilette neben der Mädchenhütte arbeiten. Es wird Material eingekauft und nach Timau Riverside gebracht, wo die Mädchen bereits damit begonnen haben, ein Loch auszuheben. Spaten und Schaufel gehen reihum und jeder ist mal an der Reihe, das Loch weiter zu vertiefen, so auch bei der weiteren Arbeit, dem Zuschneiden der Bretter. Die Mädchen haben sichtlich Spaß an der Arbeit, sodass am Ende des Tages bereits ein guter Teil geschafft ist. Am nächsten Tag lerne ich dann Salome kennen, eine Kenianerin, die Schulungen im Bereich HIV/Aids abhält. Sie wurde von Patricia und Jane engagiert, um die Mitglieder der Mädchen im lockeren Austausch aufzuklären, ihre Fragen zu beantworten und ihnen Ratschläge zu geben. Im Gespräch über ihre Arbeit mit den Mädchen betont sie, dass sie den jungen Frauen vor allem einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Sexualität vermitteln möchte. Diese Grundlage der Aidsprävention stelle leider für viele Eltern und Lehrer noch immer ein Tabuthema dar. Dabei redet sie ganz locker und ungezwungen mit ihnen über Jungs, die Pubertät, Schule, Eltern und was die Mädchen sonst noch beschäftigt. Dadurch, so Salome, ist es einfacher, über schwierige Themen wie Sexualität, die Folgen einer frühen Schwangerschaft, Schulabbruch und Aids zu sprechen. Ein weiterer Punkt auf der von meiner Mutter erstellten „to-do-list“ war, Patricia und Jane die Bedeutung einer genauen Dokumentation der Aktivitäten der Mädchengruppe zu vermitteln und ihnen das Erstellen von Berichten nach deutschen Standards zu erklären. Beides mag für uns keine große Sache sein, doch in Kenia sind solche administrativen und bürokratischen Dinge keine Selbstverständlichkeit. Selbst auf staatlicher Ebene stößt der deutsche „Bürokratisierungsfanatismus“ zum Teil auf Unverständnis, so viel hatte ich in meiner Zeit bei der Botschaft schon gelernt. Patricia und Jane nehmen diese Angelegenheit jedoch sehr ernst und haben meinem Gefühl nach erkannt, dass eine genaue Buchführung unerlässlich ist, wenn sie von uns unterstützt werden möchten. Patricia scheint das Projekt Mädchenhütte sehr am Herzen zu liegen und sie und Jane wirken wie ein gut eingespieltes Team. Ich bin gespannt, was aus ihrem tatkräftigen Engagement in Zukunft noch alles erwachsen wird. Der Kindergarten in Kongoni Als zweiter Teil meines Kurzbesuches in Timau will ich natürlich zum Kindergarten und mir all die Neuerungen, welche ich bis dahin nur von Fotos kannte, einmal selbst ansehen. Als ich im Frühjahr 2008 den Kindergarten besuchte, gab es dort gut 20 Kinder und zwei Holzhäuser, eines war die Schule, das andere die Küche. Natürlich habe ich als Gründungsmitglied des Vereins die verschiedenen Neuerungen und Baumaßnahmen durch pro-A-kids e.V. über die Jahre mit verfolgt. Trotzdem ist es etwas ganz anderes, eine so große Entwicklung mit einem Male mit eigenen Augen zu sehen. Als ich im Kindergarten eintreffe, werde ich natürlich sofort von der draußen tobenden Kinderhorde begrüßt, für die während der ersten Wochen der großen Ferien ein Ferienprogramm mit Mittagessen stattfindet. Sofort fällt mir auf, dass es nicht nur sehr viel mehr Kinder sind als damals, sondern vor allem auch, dass alle sehr viel gesünder, kräftiger und auch irgendwie sauberer aussehen, als ich das von meinem letzten Besuch in Erinnerung habe. Nach den Kindern werde ich gleich von der Köchin Evangelina in Empfang genommen, die ich auch bei meinem letzten Besuch kennenlernte und die mir gut in Erinnerung blieb, weil sie mich schon damals mit ihrer positiven,energischen Art beeindruckt hat. Sie kocht gerade Porridge für die Kinder, nebenbei das Mittagessen unddann leitet sie auch noch das Ferienprogramm mit Hilfe zweier älterer Schülerinnen. Stolz zeigt sie mir die Küche mit allen Geräten und fragt mich, ob ich mich noch daran erinnere, wie es bei meinem letzten Besuch aussah. Ja, das tue ich – sehr viel leerer sah es damals aus! Als nächstes schaue ich mir den Gemüsegarten an, welcher mich wirklich beeindruckt, ich hatte nicht erwartet, dass er mittlerweile so groß und auch so gut gepflegt ist. Als ich weiter über das Gelände wandere, um mir alles anzusehen, bin ich begeistert. Es sieht durch die neuen, stattlichen Gebäude, den großen Gemüsegarten, die gepflanzten Bäume und auch das ein oder andere Blumenbeet richtig zum Wohlfühlen aus. Ein ganz anderer Ort als der kahle, lediglich von Gras und Büschen bewachsene Kindergarten, in dem ich das letzte Mal war, die Veränderung ist wirklich enorm. Dann werde ich von Evangelina zurück in die Küche gerufen, es ist Zeit für Porridge. Die Kinder stellen sich brav in einer Reihe auf, jedes der Kinder bekommt eine große Tasse, mit der es sich dann zufrieden hinsetzt, um diese zu leeren. Danach ist es für mich leider auch schon wieder Zeit, nach Timau aufzubrechen, um vor meiner Rückreise nach Nairobi noch ein bisschen Papierkram zu erledigen.
Auf meinem Rückweg lasse ich alles noch einmal Revue passieren und ich marschiere mit einem großen Lächeln im Gesicht zurück ins Dorf – in Gedanken mit dem Erlebten beschäftigt. Zu sehen, was die jahrelange Arbeit des Vereins in vielen kleinen und manchmal auch größeren Schritten bis jetzt im Ganzen bewirkt hat, hat mich wirklich beeindruckt. Am meisten hat mich gefreut, dass ich das Gefühl hatte, die stattgefundenen Veränderungen sind langsam gewachsen. Erst eine neue Regenrinne mit einem Wassertank, dann ein paar Bäume, Mittagessen und medizinische Betreuung für die Kinder, später ein Gemüsegarten und so weiter. Das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) gibt in den Jahren 2014 bis 2016 138 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Kenia aus. Im ganzen Land sieht man Schilder neben prächtigen Schulgebäuden, Rosenplantagen oder auch einfach so am Straßenrand eines Dorfes stehen, die darauf hinweisen, dass Deutschland hier Entwicklungsgelder investiert hat. Den langfristigen Sinn dieser Gelder – ob diese Investitionen wirklich bei denen, die es brauchen, ankommen – oder ob die unzähligen geförderten Projekte nach zehn Jahren noch Sinn machen oder überhaupt noch existieren – darauf konnte ich in meiner Zeit als Praktikantin der deutschen Botschaft keine Antwort finden. Daher ist es für mich umso schöner zu sehen, dass hier in Kongoni unsere Unterstützung für die Kinder einen großen Unterschied bedeuten, auch wenn es keine Millionen sind.
Zurück in Nairobi werde ich sofort wieder vom irrsinnigen Verkehr und dem Dauerlärm dieser überfüllten Stadt empfangen. Wieder überkommt mich der Gedanke, ob nicht vielleicht der Unterschied zwischen Timau und Nairobi größer ist, als der zwischen Nairobi und Berlin. Die Hauptstadt ist in vielen Bereichen bereits weit entwickelt im Vergleich zu den ländlichen Teilen, vor allem in Sachen Infrastruktur (Strom, Wasser). Daher drängen immer mehr Menschen vom Land in die Stadt in der Hoffnung, Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Das bedeutet stetiges Wachstum der Slums von Nairobi, aber auch die Vernachlässigung der ländlichen Entwicklung seitens des kenianischen Staates. Aus diesem Grund finde ich Förderung in ländlichen Gebieten besonders wertvoll, denn Landflucht ist ein weiterer Faktor in der Abwärtsspirale.
Wieder in Deutschland angekommen bin ich mir sicher, dass dies nicht meine letzte Reise nach Kenia war und ich bin schon jetzt freudig gespannt auf das, was mich das nächste Mal in Timau erwarten wird.